Ausgabe Nr. 02-03 | 2023 
Bericht aus Brüssel
Liebe Leserinnen und Leser,
 
anbei erhalten Sie die aktuelle Ausgabe des Newsletters "InfoRecht". Enthalten sind aktuelle Nachrichten aus dem Wirtschaftsrecht.
 
Viel Spaß beim Lesen,
 
Konstantin Kutscher
Inhalt
Privates Wirtschaftsrecht
Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Gesetze im Bundesgesetzblatt
Virtuelle Sitzungen auch für Vereine
Öffentliches Wirtschaftsrecht
Beschleunigung verwaltungsgerichtlicher Verfahren im Infrastrukturbereich
Europäisches und Internationales Wirtschaftsrecht
Gesetz über digitale Dienste - Festlegung von Vorschriften für verfahrenstechnische praktische Vorkehrungen
Zum Schluss
ChatGPT
Zusätzliche Newsletter
Privates Wirtschaftsrecht
Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Gesetze im Bundesgesetzblatt
Das Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Gesetze ist am 28.02.2023 im Bundesgesetzblatt, Teil I, Nr. 51, veröffentlicht worden. Es ist größtenteils am 01.03.2023 in Kraft getreten. Art. 22 und 24 sind mit Wirkung vom 01.01.2023 in Kraft getreten. Es enthält Änderungen sowohl für nationale Umwandlungen sowie grenzüberschreitende Verschmelzungen. Zudem wurden gesetzliche Bestimmungen für einen grenzüberschreitenden Formwechsel und für eine grenzüberschreitende Spaltung zur Neugründung sowie in bestimmten Fällen auch für eine grenzüberschreitende Spaltung zur Aufnahme eingeführt. Darüber hinaus wurde das Spruchverfahren „modernisiert“ und angepasst. Link zum Bundesgesetzblatt, Teil I, Nr. 51: https://www.recht.bund.de/bgbl/1/2023/51/VO.html.
 
Bereits Ende 2022 wurde das Gesetz zur Umsetzung der Bestimmungen der Umwandlungsrichtlinie über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitenden Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen beschlossen. Es ist nach Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt, Teil I, Nr. 10 (Link: https://www.recht.bund.de/bgbl/1/2023/10/VO.html) am 31.01.2023 bereits in Kraft getreten. Mit beiden Gesetzen wurde die Umwandlungsrichtlinie (EU) 2019/2121 in nationales Recht umgesetzt.
 
Virtuelle Sitzungen auch für Vereine
In § 32 BGB wird eine dispositive Regelung für virtuelle Sitzungen in Vereinen aufgenommen. Nach Beschluss des Bundestages im Februar hat sich Anfang März 2023 auch der Bundesrat mit dem Thema befasst. Die Änderung, die noch ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt verkündet werden muss, wird Vereinen grundsätzlich hybride Mitgliederversammlungen, d. h. die Teilnahme im Wege der elektronischen Kommunikation, ermöglichen. Zudem sollen durch Beschluss der Mitglieder auch rein virtuelle Versammlungen einberufen werden können. In der Einberufung für die Sitzung muss angegeben werden, wie die Mitglieder ihre Rechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben können. Über § 28 und § 86 Satz 1 BGB wird die Änderung von § 32 BGB auch für Sitzungen von Vereinsvorständen und Stiftungsvorständen entsprechend anwendbar sein. Die gesetzliche Änderung soll am Tag nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft treten.
 
Öffentliches Wirtschaftsrecht
Beschleunigung verwaltungsgerichtlicher Verfahren im Infrastrukturbereich
Der Bundestag hat am 10.02.2023 den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Beschleunigung verwaltungsgerichtlicher Verfahren im Infrastrukturbereich (BT-Drucks. 20/5165) mit den Änderungen der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (BT-Drucks. 20/5570) beschlossen.
 
Das Gesetz sieht eine gerichtliche Priorisierung und Verfahrensbeschleunigung bei besonders bedeutenden Infrastrukturvorhaben vor – dies insbesondere durch eine Rechtswegverkürzung bei solchen Verfahren sowie ein Vorrang- und Beschleunigungsgebot, durch das ein Vorziehen solcher Verfahren vor anderen Verfahren ermöglicht wird.
 
Neu ist auch eine Vorschrift im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (§ 80 c VwGO), wonach das Gericht Mängel eines angefochtenen Verwaltungsakts zunächst außer Acht lassen kann, wenn offensichtlich ist, dass der Mangel zeitnah behoben wird. Nach Modifizierung durch den Bundestag soll das Gericht aber für die Behebung des Mangels eine Frist setzen. Zudem sollen jetzt Verfahrensfehler im Bereich der Umweltverträglichkeitsprüfung von der Regelung ausgenommen werden, sodass Mängel der Umweltverträglichkeitsprüfung auch dann vom Gericht zu berücksichtigen sind, wenn sie zeitnah behoben werden könnten.
 
Das Gesetz sieht erstmals die Möglichkeit des Gerichts vor, einen frühen Erörterungstermin anzuberaumen, der eine gütliche Streitbeilegung im frühen Verfahrensstadium begünstigen soll. Die Bundesregierung wollte diesen frühen Erörterungstermin als Regelfall, jeweils zwei Monate nach Eingang der Klageerwiderung einführen. Der Bundestag beschränkt diese Möglichkeit nun aber auf „geeignete Fälle“.
 
Für beschleunigte Verfahren an den Oberverwaltungsgerichten und dem Bundesverwaltungsgericht, die keine besonderen Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art aufweisen, sieht eine weitere durch den Bundestag neu eingeführte Regelung die Möglichkeit vor, künftig in kleinerer Senatsbesetzung zu entscheiden: Die OVG-Senate sollen demnach durch Einzelrichter, die BVerwG-Senate durch drei statt bisher fünf Richter entscheiden dürfen. Ab Anfang kommenden Jahres sollen bei diesen Gerichten zudem spezielle Planungssenate eingerichtet werden können.
 
Die Regierungsfraktionen lobten das Gesetz in der 2. und 3. Lesung als Teil des neuen „Deutschland-Tempos“ während die Unionsfraktion die Effektivität des Gesetzes anzweifelte und auf das bleibende Problem des Personalmangels in Justiz und Verwaltung hinwies.
 
Europäisches und Internationales Wirtschaftsrecht
Gesetz über digitale Dienste - Festlegung von Vorschriften für verfahrenstechnische praktische Vorkehrungen
Das Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act/DSA) ist bereits im Herbst 2022 in der Form von Verordnung (EU) 2022/2065 in Kraft getreten. Sein Ziel ist es, das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes für Vermittlungsdienste zu fördern sowie einen Beitrag zu einem vertrauenswürdigen, vorhersehbaren sowie sicheren Online-Umfeld zu leisten. Insbesondere werden in ihm die Pflichten digitaler Dienste, die als Vermittler tätig sind und Verbrauchern den Zugang zu Dienstleistungen, Inhalten und Waren zulassen, geregelt.
 
Für sehr große Online-Plattformen und sehr große Online-Suchmaschinen, die von der Kommission als solche benannt werden, sieht das Gesetz zusätzliche Verpflichtungen vor. Der Kommission wurde die Verantwortung übertragen, diese zu beaufsichtigen und die ihnen auferlegten zusätzlichen Verpflichtungen durchzusetzen. Die praktischen Modalitäten im Zusammenhang mit ihrem Eingreifen können von der Kommission mittels Durchführungsrechtsakt festgelegt werden.
 
Auf der Grundlage des Artikel 83 des Gesetzes über Digitale Dienste wurde am 16.02.2023 der Entwurf einer Durchführungsverordnung vorgelegt, welcher detaillierte Regelungen bezüglich der praktischen Modalitäten des Eingreifens der Kommission vorsieht. Der Entwurf der Durchführungsverordnung enthält Vorschriften in Bezug auf die Durchführung von Nachprüfungen und Überwachungsmaßnahmen sowie hinsichtlich der Anforderungen an die Gewährung rechtlichen Gehörs durch die Kommission. Des Weiteren werden die praktischen Modalitäten des Rechts auf Einsicht in die Akten der Kommission festgelegt.
 
Die vorläufigen Ansichten der Kommissionsdienststellen bezüglich des Entwurfs einer Durchführungsverordnung über detaillierte Modalitäten für die Durchführung bestimmter Verfahren durch die Kommission gemäß der Verordnung (EU) 2022/2065 des Europäischen Parlaments und des Rats („Gesetz über digitale Dienste“) sind nebst Anhang bisher nur in Englischer Sprache verfügbar.
 
Bis zum 16.03.2023 können Rückmeldungen hinsichtlich des o.g. Entwurfs der Durchführungsverordnung direkt gegenüber der Kommission abgegeben werden.
 
Zum Schluss
ChatGPT
ChatGPT beherrscht wie kaum eine andere KI-Anwendung die aktuelle öffentliche Diskussion. Während auf EU-Ebene die Trilogverhandlungen zur KI-Verordnung beginnen und heftig debattiert wird über Definitionsansätze, Regulierungsdichte und Reichweite einer klugen KI-Gesetzgebung, schnellen die Nutzerzahlen von ChatGPT in die Höhe. Das Programm liefert auf jegliche Frage in Windeseile eine menschenähnliche Antwort, kann Aufsätze verfassen, Rätsel lösen, dichten und codieren. Dazu greift es auf im Internet verfügbare Daten und auf die Eingabedaten der Nutzer zu: Mit jeder Eingabe, mit der ein Nutzer seine Fragen präzisiert oder Antworten berichtigt, lernt das Programm hinzu.
 
Was bedeutet die revolutionäre Entwicklung von Programmen wie ChatGPT für die Praxis im Wirtschaftsrecht?
Einfache, praxisrelevante juristische Fragen kann ChatGPT bereits gut beantworten, tut sich aber beim Lösen juristischer Fälle noch schwer (siehe etwa anhand anschaulicher Beispiele: Johannisbauer, MMR-aktuell 2023, 455537). Da die Lernkurve der Anwendung steil verläuft, wird sich dies mit Sicherheit schnell ändern, sodass KI aus der Vertragsgestaltung künftig kaum noch hinwegzudenken sein wird. Eine wesentliche Rolle spielen dabei die Trainingsdaten, mit denen ChatGPT gespeist wird. Neben den öffentlich im Internet zugänglichen Daten werden vermehrt auch Urteile, juristische Fachbeiträge und Lehrbücher verarbeitet. Juristische Datenbanken spielen hierbei eine zentrale Rolle.
 
Es liegt auf der Hand, dass sich in dem Zusammenhang auch kritische Fragen insbesondere in den Bereichen des Urheber-, Geschäftsgeheimnis- und Datenschutzrechts stellen. Verstoßen das Programm oder sein Betreiber bei Nutzung von Texten aus dem Internet gegen Urheberrecht Dritter? Wem steht das Urheberrecht an den über ChatGPT generierten Texten zu? An etwaige Verstöße schließen sich sodann Haftungsfragen an: Haftet Open-AI als Betreiber oder haftet der Nutzer? Auch die Haftungsfragen sind Gegenstand der KI-Verordnung sowie der derzeit ebenfalls beratenen EU-Richtlinie über KI-Haftung.
 
Schließlich stehen auch juristische und berufliche Ausbildung vor neuen Herausforderungen. (Wissenschaftliche) Hausarbeiten könnten gegenüber mündlichen Prüfungen und beaufsichtigten Klausuren weiter an Bedeutung verlieren. Vielleicht muss aber auch gerade die professionelle und verantwortungsvolle Arbeit mit ChatGTP Teil der Ausbildung in Lehre und Betrieb werden.
 
Viele Fragen sind noch offen, und ein Abwägen der Chancen und Risiken wird fortlaufend die Debatte um ChatGPT begleiten. Wer weiß, wie viel Anteil ChatGPT selbst an diesen Debatten haben wird. Gefragt, ob das Programm Urheberrecht verletze, antwortet das ChatGPT jedenfalls ausweichend, dass es als KI keine Handlungen vornehmen und keinen Rechtspflichten unterliegen und damit auch nicht gegen Urheberrecht verstoßen könne.
 
Seien Sie aber versichert, dass der Newsletter Recht auf absehbare Zeit nicht von ChatGTP verfasst wird.
 
Zusätzliche Newsletter
 
finden Sie unter: Steuern | Finanzen | Mittelstand (dihk.de)
 
Sollten Sie Interesse an dem Newsletter "Auftragswesen aktuell" haben, wenden Sie sich bitte an Ihre IHK oder an Ihre Auftragsberatungsstelle.
 
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