Ausgabe Nr. 10 | 2023 
Bericht aus Brüssel
Liebe Leserinnen und Leser,
 
anbei erhalten Sie die aktuelle Ausgabe des Newsletters "InfoRecht". Enthalten sind aktuelle Nachrichten aus dem Wirtschaftsrecht.
 
Viel Spaß beim Lesen,
 
Konstantin Kutscher
Inhalt
Privates Wirtschaftsrecht
Zukunftsfinanzierungsgesetz liegt Bundestag und Bundesrat vor
Umsetzung der Verbandsklagenrichtlinie in Kraft
Anhörung zum geplanten Ausbau der Videoverhandlungen an Zivil- und Fachgerichten
Öffentliches Wirtschaftsrecht
Bundesrat billigt 11. GWB-Novelle
Europäisches und Internationales Wirtschaftsrecht
DMA - Benennung von Torwächtern und Marktuntersuchungen
Anhebung der Schwellenwerte für die Unternehmensgrößen in der Rechnungslegungsrichtlinie
Richtlinienvorschlag für einen europäischen Verein
EU-Kommission legt Vorschlag für neue Zahlungsverzugsverordnung vor
Zusätzliche Newsletter
Privates Wirtschaftsrecht
Zukunftsfinanzierungsgesetz liegt Bundestag und Bundesrat vor
Das Bundeskabinett hat den „Gesetzentwurf zur Finanzierung zukunftssichernder Investitionen“ im August 2023 beschlossen. Mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz sollen für Start-Ups und Wachstumsunternehmen Erleichterungen zur Finanzierung von Investitionen und Innovationen geschaffen werden. Das Gesetz ist ein Artikelgesetz und plant die Änderung zahlreicher bestehender Gesetze aus dem Finanzmarkt-, Gesellschafts- und Steuerrecht, wie Wertpapierhandelsgesetz, Börsengesetz, Aktiengesetz, Einkommensteuergesetz, Umsatzsteuergesetz etc.
 
U. a. soll die Mindestmarktkapitalisierung für einen Börsengang auf 1 Mio. Euro gesenkt werden (vgl. geplante Änderung der Börsenzulassungsverordnung in Art. 4). Unternehmen sollen künftig Mehrstimmrechtsaktien mit einem Stimmrecht von bis zu 10:1 ausgeben können, vgl. §§ 12, 129, 130, 135a, 202 AktG-E sowie die geplanten Änderungen im Einführungsgesetz zum AktG (vgl. u. a. Art. 13). Transparenzvorgaben bei Mehrstimmrechten finden sich u. a. in § 49 Abs. 1 WpHG-E. Auch auf Europäischer Ebene wird derzeit über Mehrfachstimmrechte diskutiert.
Die Grenze beim vereinfachten Bezugsrechtsausschluss nach § 186 Abs. 3 AktG-E von bisher 10 Prozent des Grundkapitals soll auf 20 Prozent angehoben werden. Weiter sollen die Grenzen des bedingten Kapitals bei Unternehmenszusammenschlüssen sowie für Bezugsrechte von Arbeitnehmern und Mitgliedern der Geschäftsführung von 50 Prozent und 10 Prozent auf jeweils 60 Prozent beziehungsweise 20 Prozent erhöht werden, vgl. § 192 Abs. 3 AktG-E.
 
Streitigkeiten über die Angemessenheit der Höhe des Ausgabebetrages bei bestimmten Kapitalmaßnahmen sollen gemäß § 255 AktG-E künftig im Spruchverfahren entschieden werden, vgl. auch die Änderungen im Spruchverfahrensgesetz-E in Art. 1. Nach § 255a AktG-E sollen zudem künftig zusätzliche Aktien anstelle einer baren Ausgleichszahlung gewährt werden können, soweit dies im Beschluss über die Kapitalerhöhung enthalten ist (vgl. auch § 255b AktG-E); auch hier soll das Spruchverfahren Anwendung finden, vgl. auch § 10a Spruchverfahrensgesetz-E.
Mit der Änderung in § 123 AktG-E erfolgt eine Angleichung an die Definition des Nachweisstichtags.
 
Sog. Börsenmantelaktiengesellschaften (SPAC) sollen in § 44 ff. BörsenG-E geregelt werden. Änderungen in § 3 Abs. 4 BörsenG-E würden zu einem Verzicht auf Anhörungen durch die Börsenaufsichtsbehörde führen. Zudem soll die elektronische Übermittlung von Anträgen und Unterlagen auch im Bereich des Börsenaufsichtsrechts eingeführt werden, vgl. §§ 4 Abs. 2, 32 Abs. 3. BörsenG-E (in Art. 11).
 
Darüber hinaus soll das Gesetz über elektronische Wertpapiere (Art. 16) auch auf elektronische Aktien (sog. E-Aktie) anwendbar werden, vgl. auch §§ 10 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und Abs. 6, 67 AktG-E. Namensaktien sollen damit künftig elektronisch über ein zentrales Wertpapierregister oder über ein Kryptowertpapierregister, das auf der Distributed-Ledger-Technologie basieren kann, begeben und übertragen werden können.
 
Ergänzend werden Änderungen im Kreditwesengesetz (Art. 20), im Wertpapierhandelsgesetz (Art. 8), im Wertpapierprospektgesetz (Art. 10), im Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (Art. 8), im BGB (Art. 2) sowie im Einkommensteuergesetz (Art. 17) vorgesehen. Hier sollen u. a. die steuerlichen Rahmenbedingungen für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen verbessert werden. Zu den weiteren (zahlreichen) Änderungen vgl. bitte Link zum Regierungsentwurf.
 
Das Gesetz soll noch dieses Jahr in Kraft treten, Bundestag und Bundesrat beraten in Kürze über das Gesetz.
 
Umsetzung der Verbandsklagenrichtlinie in Kraft
Das Gesetz zur Umsetzung der Verbandsklagenrichtlinie (VRUG) ist am Freitag, den 13.10.2023, einen Tag nach seiner Verkündung im Bundesgesetzblatt, in Kraft getreten.
 
Nachdem bereits am 07.07.2023 der Bundestag über die Umsetzung der Verbandsklagenrichtlinie (EU) 2020/1828 entschieden und somit die Grundlage für eine neue kollektive Abhilfeklage geschaffen hatte, hat das Gesetz am 29.09.2023 auch den Bundesrat ohne Widerspruch passiert.
 
Damit können nun Unternehmen von Verbraucherverbänden verklagt werden, wenn diese glaubhaft darlegen können, wesentlich gleichartige Ansprüche von mindestens 50 betroffenen Verbrauchern geltend zu machen. Der Verbraucherzentrale Bundesverband hat bereits mehrere Klagen angekündigt. Auch der Verlauf bereits anhängiger Musterfeststellungsklagen kann von der neuen Rechtslage betroffen sein. Klagen auf der Basis des neuen Gesetzes werden zunächst vor allem im Umwelt- und Finanzbereich erwartet. Offen ist, in welcher Form Rechtschutzversicherungen auf die neue Lage reagieren. Denkbar ist, dass sie auf Beteiligungsmöglichkeiten an Abhilfeklagen verweisen und Deckungszusagen restriktiver handhaben. Anders als in Großbritannien hat bislang keine Welle von prozessfinanzierten Sammelklagen in Klima-, Kartell- oder Datenschutzfällen Deutschland erreicht. Diesbezüglich hat der Gesetzgeber auch erste Grenzen gezogen.
 
Der deutsche Gesetzgeber war – wie die Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten – mit der Umsetzung der Verbandsklagenrichtlinie erheblich in Verzug geraten: Die Richtlinie sah eine Umsetzung bis zum 25.12.2022 und das Inkrafttreten bis zum 25.06.2023 vor. Erst die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens durch die EU-Kommission Anfang des Jahres brachte Bewegung in den deutschen Gesetzgebungsprozess.
 
Anhörung zum geplanten Ausbau der Videoverhandlungen an Zivil- und Fachgerichten
Im Rechtsausschuss des Bundestages fand am 18.10.2023 die Anhörung zum Entwurf des Gesetzes zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten statt.
 
Ziel des im Mai vom Kabinett beschlossenen und nun im Bundestag diskutierten Gesetzesentwurfs ist eine schnellere, einfachere und kostengünstigere Verfahrensführung an deutschen Gerichten durch den verstärkten Einsatz von Videokonferenztechnik – sowohl in der mündlichen Verhandlung selbst als auch in der verfahrensrelevanten Korrespondenz mit der Geschäftsstelle des Gerichts. Dazu sollen bestehende Regelungen der ZPO ergänzt oder neu gefasst werden.
 
Zu den geplanten Neuerungen gehören vor allem folgende:
 
• die Möglichkeit des Gerichts, eine Videoverhandlung nicht mehr bloß zu gestatten, sondern auch selbst anzuordnen (§ 128a ZPO-E)
 
• die Einführung der Inaugenscheinnahme per Video als neue Form der Videobeweisaufnahme (§ 284 ZPO-E)
 
• der Wegfall der Auslagenpauschale für den Einsatz von Videokonferenztechnik
 
• die Einführung der Bild-Ton-Aufzeichnung als neue Form der vorläufigen Protokollaufzeichnung der mündlichen Verhandlung (§ 160a ZPO-E)
 
• die Möglichkeit einer Antragstellung bei der Geschäftsstelle per Video („virtuelle Antragstelle“, § 129a ZPO-E)
 
• die Möglichkeit des Vorsitzenden, bei plötzlichem Ausfall eines Beisitzers in Ausnahmefällen diesen per Videokonferenz zuzuschalten („hybride Richterbank“, § 128a Abs. 3 ZPO-E). Zugleich soll den Ländern ermöglicht werden, auch vollvirtuelle Verhandlungen zu erproben, bei denen alle Beteiligten rein virtuell anwesend sind („vollvirtuelle Richterbank“, § 16 EGZPO-E).
 
Die geplanten Regelungen fänden über die entsprechenden Verweisungsnormen auch in der Verwaltungsgerichtsbarkeit (§ 173 S. 1 VwGO) und in der Finanzgerichtsbarkeit (§ 155 S. FGO) Anwendung. Die Arbeits- und Sozialgerichte würden hingegen – aufgrund des besonders hohen Stellenwertes der mündlichen Verhandlung in persönlicher Präsenz – weiterhin gesonderten Regelungen zum Einsatz von Videokonferenztechnik unterliegen.
 
In der Ausschussanhörung haben die Sachverständigen den Entwurf in weiten Teilen begrüßt und dies meist mit dem Effizienzgewinn begründet. Zeit- und Kostenersparnis dürften auch aus Sicht der Wirtschaft ein wesentliches Argument für das Gesetzesvorhaben sein. Uneinigkeit bestand unter den Sachverständigen hingegen darüber, wer letztlich die Entscheidungshoheit über die Durchführung der mündlichen Verhandlung per Videokonferenz haben soll: Die Anwaltschaft spricht sich für die Entscheidungshoheit der Parteien aus und führt die Dispositionsmaxime als Argument an, die Richterschaft hingegen wirbt für die Entscheidungshoheit des Gerichts und argumentiert mit der diesem obliegenden Prozessleitung.
 
Auch generelle Nachteile von Videokonferenzen wurden z. T. thematisiert, etwa eine möglicherweise geringere Wahrnehmbarkeit der Körpersprache der Beteiligten für einen besseren Gesamteindruck oder die fehlende Kontrolle darüber, ob Zeugenaussagen durch nicht sichtbare Personen oder Unterlagen im Raum beeinflusst werden. Hingewiesen wurde auch auf die Notwendigkeit, dass die Digitalisierung der Gerichtsverhandlung mit einer hinreichenden technischen und personellen Ausstattung der Gerichte sowie einem effektiven Schutz vor Cyberattacken und (KI-)Manipulation einhergehen müsse.
 
Die Stellungnahmen der Sachverständigen finden Sie hier.
 
Öffentliches Wirtschaftsrecht
Bundesrat billigt 11. GWB-Novelle
Die vom Bundestag beschlossene 11. GWB-Novelle (Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen und anderer Gesetze) hat am 29.09.2023 den Bundesrat passiert. Mit seinem Beschluss, keinen Antrag auf Überweisung an den Vermittlungsausschuss zu stellen, hat der Bundesrat damit den Weg für die tiefgreifende Reform des Kartellrechts frei gemacht: Das Gesetz wird nach Gegenzeichnung durch die Bundesregierung dem Bundespräsidenten zur Ausfertigung zugeleitet und tritt nach Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft.
 
Das novellierte Kartellrecht gibt dem Bundeskartellamt sehr weitgehende Eingriffsinstrumente an die Hand, mit denen dieses im Anschluss an Sektoruntersuchungen gegen festgestellte Wettbewerbsstörungen vorgehen kann. Zahlreiche Stimmen aus Wirtschaft und Wissenschaft hatten bemängelt, dass die Abhilfemaßnahmen des Bundeskartellamts sich auch gegen Unternehmen richten könnten, denen kein Fehlverhalten vorzuwerfen sei, und dass behördliche Maßnahmen – wie etwa die Vorgabe konkreter Preis- und Vertragsgestaltung bis hin zur Entflechtung von Unternehmen – sehr stark in die unternehmerische Freiheit der Unternehmer eingriffen. Ein vom Handelsverband Deutschland (HDE) in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten hatte sogar deutliche Zweifel an der Verfassungs- und Europarechtskonformität des Gesetzes aufgezeigt.
 
Durch die 11. GWB-Novelle wird erstmals die Kompetenz für tiefgreifende Eingriffe in wirtschaftliche Strukturen ganzer Wirtschaftssektoren dem alleinigen Vorbehalt des parlamentarischen Gesetzgebers entzogen und einer unabhängigen Behörde übertragen. Wie diese mit ihren neuen Befugnissen mittel- und langfristig umgehen wird, bleibt abzuwarten.
 
Währenddessen laufen im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) bereits die Vorbereitungen für den Referentenentwurf einer 12. GWB-Novelle, die ihren Fokus vermutlich auf mehr Rechtssicherheit für Kooperationen im Nachhaltigkeitsbereich richten und das Bundeskartellamt mit Befugnissen zur behördlichen Durchsetzung des Verbraucherschutzrechts ausstatten wird.
 
Den von der Regierung eingebrachten Gesetzesentwurf der 11. GWB-Novelle finden Sie hier.
 
Die vom Bundestag angenommene Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses finden Sie hier.
 
Europäisches und Internationales Wirtschaftsrecht
DMA - Benennung von Torwächtern und Marktuntersuchungen
Bereits am 01.11.2022 ist der Digital Markets Act (DMA) in Kraft getreten. Am 06.09.2023 wurden von der EU-Kommission sechs Torwächter (Gatekeeper) benannt, welche 22 zentrale Plattformdienste bereitstellen. Es handelt sich um Alphabet, Amazon, Apple, ByteDance, Meta und Microsoft. Parallel dazu hat die Kommission vier Marktuntersuchungen eingeleitet, um die eingereichten Mitteilungen von zwei Unternehmen weiter zu prüfen, denen zufolge einige ihrer zentralen Plattformdienste nicht als Zugangstore anzusehen sind, obwohl sie die Schwellenwerte erreichen. Außerdem hat die Kommission eine Marktuntersuchung eingeleitet, um weiter zu prüfen, ob ein weiterer Plattformdienst zu den Torwächtern gezählt werden sollte, obwohl die Schwellenwerte nicht erreicht sind.
 
Mit dem DMA soll das europäische Wettbewerbsrecht ergänzt werden. Ziel ist es, sicherzustellen, dass große zentrale Online-Plattformen, die im digitalen Sektor als Torwächter (den sogenannten Gatekeepern) agieren und von der EU-Kommission benannt werden, nicht auf unfaire Geschäftspraktiken zurückgreifen. Dadurch soll die Offenheit digitaler Märkte gewährleistet werden.
 
Ein Unternehmen ist als Torwächter zu benennen, wenn es „erheblichen Einfluss auf den Binnenmarkt hat, einen zentralen Plattformdienst bereitstellt, der gewerblichen Nutzern als wichtiges Zugangstor zu Endnutzern dient, und hinsichtlich seiner Tätigkeiten eine gefestigte und dauerhafte Position inne hat oder absehbar ist, dass es eine solche Position in naher Zukunft erlangen wird“, Artikel 3(1) DMA.
 
Die benannten Torwächter haben nun grundsätzlich sechs Monate Zeit, um ihre Verpflichtungen aus dem DMA zu erfüllen. Dazu gehört zum Beispiel das Verbot, Endnutzer „in anderen Diensten des Torwächters“ anzumelden, „um personenbezogene Daten zusammenzuführen“, Artikel 5(2) lit.d DMA. Darüber hinaus darf ein Torwächter nicht „von ihm selbst angebotene Dienstleistungen und Produkte beim Ranking sowie bei dem damit verbundenen Auffinden gegenüber ähnlichen Dienstleistungen oder Produkten eines Dritten“ bevorzugen, Artikel 6(5) DMA.
 
Bei Nichteinhaltung der im DMA festgelegten Verpflichtungen durch einen Torwächter kann die Kommission Geldbußen bis zu einem Höchstbetrag von 10 % seines im vorausgegangenen Geschäftsjahr weltweit erzielten Gesamtumsatzes verhängen, wenn sie feststellt, dass der Torwächter vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat. Kommt es zu einer wiederholten Zuwiderhandlung, kann die Geldbuße bis auf 20 % seines im vorausgegangenen Geschäftsjahr weltweit erzielten Gesamtumsatzes angehoben werden.
 
Um zu überprüfen, ob durch einen Torwächter eine systematische Nichteinhaltung seiner Verpflichtungen vorliegt, kann die Kommission eine Marktuntersuchung durchführen und gegebenenfalls verhaltensbezogene oder strukturelle Abhilfemaßnahmen verhängen. Dazu kann die Verpflichtung des Torwächters gehören, ein Unternehmen bzw. Unternehmensteile zu verkaufen. Auch kann die verhängte Abhilfemaßnahme für einen begrenzten Zeitraum das Verbot beinhalten, sich mit bestimmten Unternehmen zusammenzuschließen.
 
Anhebung der Schwellenwerte für die Unternehmensgrößen in der Rechnungslegungsrichtlinie
Die delegierte Richtlinie ändert die Schwellenwerte zur Definition von Kleinstunternehmen sowie kleinen, mittleren und großen Unternehmen und Gruppen in Artikel 3 der Rechnungslegungsrichtlinie 2013/34/EU. Entsprechend ihres Entwurfs hat die Kommission nur eine inflationsbedingte Bereinigung der Schwellenwerte Nettoumsatzerlöse und Bilanzsumme vorgenommen. Nach Übermittlung der delegierten Richtlinie vom 17.10.2023 an Rat und Parlament haben diese grundsätzlich zwei Monate Zeit zur Prüfung und können Einwände erheben. Nach Verkündung im Amtsblatt müssen die Mitgliedstaaten die geänderten Schwellenwerte noch in ihr nationales Recht übernehmen (vgl. § 267 HGB).
 
Die inflationsbedingt geänderten Schwellenwerte sollen für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 01.01.2024 beginnen, anwendbar sein. Die Mitgliedstaaten können sie bereits für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 01.01.2023 beginnen, für anwendbar erklären, vgl. Art. 2 Abs. 1 Unterabsatz 3 der delegierten Richtlinie.
 
Richtlinienvorschlag für einen europäischen Verein
Die European cross-border association (ECBA) soll für Vereine eine zusätzliche europäische Rechtsform bieten, die grenzüberschreitende Tätigkeiten ermöglicht, aber auch voraussetzt. Die eigenständige Rechtsform der ECBA kann als juristische Person grundsätzlich von natürlichen Personen, die Unionsbürger sind oder ihren Wohnort in der EU haben, sowie von juristischen Personen ohne Erwerbszweck, gegründet werden. Zur Gründung müssen sich mindestens drei Personen zusammenschließen.
 
Eine ECBA ist entsprechend ihrer Satzung in mindestens zwei Mitgliedstaaten aktiv und verfügt auch über Gründungsmitgliedern aus mindestens zwei Mitgliedstaaten. Die europäische Vereinigung darf keinen Erwerbszweck haben. Gewinne sind ausschließlich für den Vereinszweck zu nutzen, vgl. u. a. Art. 3, 1 des Richtlinienentwurfs.
 
Ein in einem Mitgliedstaat eingetragener europäischer Verein ist in allen anderen Mitgliedstaaten anzuerkennen. Vorgaben für die Registrierung enthält u. a. Art. 20 des Richtlinienentwurfs. Nach der Registrierung erhält die europäische Vereinigung ein (auch digitales) Zertifikat, das sie in anderen Mitgliedstaaten zum Nachweis ihrer Existenz vorlegen kann, vgl. Art. 21 des Richtlinienentwurfs. Der Richtlinienvorschlag enthält zudem Mindestanforderungen an die Satzung und Governance des europäischen Vereins. Dieser hat eine Geschäftsführung sowie ein Gremium, welches die Entscheidungen trifft (Vorstand aus mindestens drei Personen), vgl. Art. 7. Darüber hinaus ist die Auflösung des Vereins in den Art. 24 ff. des Entwurfs geregelt. Bestehende Vereine nach Mitgliedstaatenrecht sollen die Möglichkeit haben, sich mittels Formwechsel zu einem europäischen Verein zu entwickeln, vgl. Art. 17 des Entwurfs. In den Artikeln 21 ff. wird die grenzüberschreitende Sitzverlegung des europäischen Vereins geregelt.
 
Nach Verabschiedung der Richtlinie durch Rat und Parlament sollen die Regelungen innerhalb von 2 Jahren von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden, vgl. Art. 31 des Richtlinienentwurfs.
 
Mit dem Richtlinienvorschlag für eine europäische Vereinigung wurde auch ein Vorschlag zur Änderung bzw. Ergänzung des Binnenmarktinformationssystems und des einheitlichen Digitalen Zugangstors vorgelegt.
 
EU-Kommission legt Vorschlag für neue Zahlungsverzugsverordnung vor
Die EU-Kommission hat einen Vorschlag für eine Verordnung zur Bekämpfung des Zahlungsverzugs im Geschäftsverkehr vorgelegt, die die bisherige Zahlungsverzugsrichtlinie 2011/7/EU ablösen soll.
Der Vorschlag der Kommission steht im Zusammenhang mit dem kürzlich aufgelegten KMU-Entlastungspaket und zielt vorrangig auf den Schutz der KMU ab. Diese seien überproportional von den negativen Folgen verspäteter Zahlungseingänge betroffen und müssten sich aufgrund der stärkeren Verhandlungsmacht häufiger unfairen Zahlungsbedingungen marktmächtigerer Unternehmen hingeben.
Mit dem Instrument der Verordnung will die Kommission ausweislich der Begründung insbesondere dem grenzüberschreitenden Aspekt des Zahlungsverzugs besser begegnen können. Damit würden die zentralen Bestimmungen zur Bekämpfung des Zahlungsverzugs EU-weit einheitlich gelten und unmittelbar anwendbar sein, ohne dass es entsprechender nationaler Umsetzungsakte bedarf.
 
Der Entwurf sieht folgende zentrale Änderungen vor:
 
Die maximale Zahlungsfrist soll 30 Tage nicht mehr überschreiten dürfen. Bisher gültige Ausnahmen für längere Zahlungsfristen soll es künftig nicht mehr geben.
Im Bereich der öffentlichen Bauaufträge müssen Auftragnehmer künftig einen Nachweis erbringen, dass sie ihre ggf. beteiligten Unterauftragnehmer innerhalb der Fristen bezahlt haben und diesen Nachweis ggü. dem öffentlichen Auftraggeber spätestens zusammen mit der Zahlungsaufforderung vorlegen. Kommt er dieser Vorlagepflicht oder der Zahlungspflicht ggü. dem Unterauftragnehmer nicht nach, unterrichtet der öffentliche Auftraggeber die neu einzurichtenden Durchsetzungsbehörde des Mitgliedstaates.
 
Verschärft wird auch die Regelung zu Verzugszinsen: Der Gläubiger soll auf sein Recht, Verzugszinsen verlangen zu können, nicht mehr verzichten dürfen. Es soll darüber hinaus ein einheitlicher Verzugszinssatz von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gelten.
 
Aufgenommen wurde die Kritik unter anderem aus der Wirtschaft bezüglich der Unbestimmtheit des Art. 7 der RL: Danach sind solche Klauseln nichtig, die für den Gläubiger „grob nachteilig“ sind. Der Verordnungsentwurf benennt demgegenüber nunmehr konkrete Klauseln und Praktiken, die künftig nichtig sein sollen. Dazu zählen die Festsetzung einer Zahlungsfrist von mehr als 30 Tagen, eine absichtliche Verzögerung oder Behinderung des Zeitpunkts der Übermittlung der Rechnung etc.
 
Jeder Mitgliedstaat soll mindestens eine oder mehrere öffentliche Stelle(n) benennen, die für die Durchsetzung der Verordnung verantwortlich sein soll(en). Diese Behörden sollen weitreichende Befugnisse erhalten wie Untersuchungen (auch unangekündigt vor Ort) durchzuführen, Offenlegung von Informationen zu verlangen, Bußgelder und andere Sanktionen zu verhängen, etc. Die Durchsetzungsbehörden sollen untereinander und mit der Kommission im Wege der Amtshilfe zusammenarbeiten, z. B. bei grenzüberschreitenden Untersuchungen. Gläubiger können bei Verstößen gegen die Zahlungspflichten Beschwerde bei den Durchsetzungsbehörden einreichen.
 
Unbeschadet dieser Beschwerdemöglichkeit bei den Durchsetzungsbehörden sollen die Mitgliedstaaten die freiwillige Inanspruchnahme wirksamer und unabhängiger alternativer Streitbeilegungsmechanismen für Streitigkeiten zwischen Gläubigern und Schuldnern fördern.
 
Auf der Seite der Kommission kann noch bis zum 09.11.2023 zu dem Entwurf Stellung genommen werden.
 
Zusätzliche Newsletter
 
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