Ausgabe Nr. 08/09 | 2023 
Bericht aus Brüssel
Liebe Leserinnen und Leser,
 
anbei erhalten Sie die aktuelle Ausgabe des Newsletters "InfoRecht". Enthalten sind aktuelle Nachrichten aus dem Wirtschaftsrecht.
 
Viel Spaß beim Lesen,
 
Konstantin Kutscher
Inhalt
Privates Wirtschaftsrecht
ESG-Angaben in Prospekten nach der EU-Prospektverordnung
Deutscher Rechnungslegungsänderungsstandard Nr. 13 veröffentlicht
Weitere Digitalisierung der Zwangsvollstreckung geplant
Zukunftsfinanzierungsgesetz liegt Bundestag und Bundesrat vor
Öffentliches Wirtschaftsrecht
Beihilfenregelung zu Transformationstechnologien in Kraft
Europäisches und Internationales Wirtschaftsrecht
Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen tritt in Kraft
EU-Durchführungsbestimmungen für Subventionen aus Drittstaaten
BGH-Beschlüsse zu ICSID-Schiedsverfahren: Europarecht bricht Völkerrecht?
DIHK zur Green-Claims-Richtlinie
Referentenentwurf des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr zur Durchführung des Digital Services Act: Digitale-Dienste-Gesetz (DDG)
Anwendung des Digital Services Act auf sehr große Online-Plattformen und Online-Suchmaschinen seit dem 25. August 2023
Europäische Nachhaltigkeitsberichtsstandards (ESRS) veröffentlicht
Zum Schluss
Syndikuszulassung bei Drittberatung
Zusätzliche Newsletter
Privates Wirtschaftsrecht
ESG-Angaben in Prospekten nach der EU-Prospektverordnung
Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) hat im Juli 2023 klargestellt, welche nachhaltigkeitsbezogenen Informationen zu Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung Emittenten in ihre Prospekte aufnehmen müssen, vgl. Erklärung der ESMA.
 
Die entsprechende Meldung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), welche die Prospekte der Emittenten prüft, finden Sie hier.
 
Deutscher Rechnungslegungsänderungsstandard Nr. 13 veröffentlicht
Im Bundesanzeiger hat das Bundesministerium der Justiz den Deutschen Rechnungslegungs-Änderungsstandards Nr. 13 (DRÄS 13) bekannt gemacht. Damit werden Änderungen an DRS 20 „Konzernlagebericht“ sowie DRS 21 „Kapitalflussrechnung“ vorgenommen. Dieser Änderungsstandard ist mit seiner Verabschiedung durch das DRSC in Kraft getreten.
 
Link zum Bundesanzeiger vom 27.07.2023.
 
Soweit die bekanntgemachte Empfehlung des DRÄS Nr. 13 bei der Aufstellung eines Konzernabschlusses und Konzernlageberichts beachtet worden ist, wird die Beachtung der die Konzernrechnungslegung betreffenden Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung vermutet.
 
Weitere Digitalisierung der Zwangsvollstreckung geplant
Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) hat am 14.08.2023 den Referentenentwurf eines Gesetzes zur weiteren Digitalisierung der Zwangsvollstreckung veröffentlicht.
 
Ziel des Gesetzes ist eine Erleichterung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Vollstreckungsorganen. Dazu sollen insbesondere die neuen Vorschriften zum elektronischen Vollstreckungsauftrag (§ 754a ZPO-E) und zum elektronischen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (§ 829a ZPO-E) beitragen:
 
So soll überall dort, wo bislang vollstreckbare Ausfertigung, Vollstreckungsklausel und weitere Urkunden zum Nachweis der Vollstreckungsvoraussetzungen ausschließlich in Papierform übermittelt werden mussten, künftig die Übermittlung von oder der Zugriff auf elektronische Kopien der Dokumente ausreichen können. Dadurch erhofft sich das BMJ eine Reduzierung der hohen Anzahl an hybriden Aufträgen und Anträgen bei den Vollstreckungsorganen, die zuletzt dadurch zustande gekommen waren, dass Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts bereits dazu verpflichtet waren, Anträge und Aufträge elektronisch einzureichen, während die vollstreckbare Ausfertigung und andere Urkunden noch ausschließlich in Papierform zu erfolgen hatten. Die Zuordnung der elektronischen Anträge und Aufträge zu den Schriftstücken in Papierform nimmt derzeit laut Problembeschreibung des Entwurfs sehr viel Zeit in Anspruch.
 
Der Gesetzesentwurf sieht des Weiteren Klarstellungen und Ergänzungen in Hinblick auf den elektronischen Rechtsverkehr mit dem Gerichtsvollzieher vor (§ 753 Abs. 4-8 ZPO-E). So sollen Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts künftig sämtliche Dokumente in elektronischer Form einreichen müssen. Ausgenommen von dieser Pflicht sind lediglich Ausfertigungen, Vollstreckungsklauseln und Urkunden. Für alle sonstigen Personen, die nicht dem genannten Adressatenkreis zugehören, besteht die Möglichkeit (nicht aber die Pflicht), Dokumente in elektronischer Form einzureichen. Entscheiden sie sich jedoch für eine Übermittlung auf elektronischem Wege, soll dies als Einwilligung in eine fortgesetzte elektronische Kommunikation mit dem Gerichtsvollzieher gelten (§ 753a Abs. 5 S. 3 ZPO-E).
 
Das „Einreichen in elektronischer Form“ bedeutet, dass bestimmte – im Entwurf erstmals näher konkretisierte – Anforderungen an die elektronischen Dokumente und die Übermittlungswege beachtet werden müssten (s. § 753 Abs. 6-8 ZPO-E).
 
Weitere Klarstellungen und Ergänzungen trifft der Gesetzesentwurf in Zusammenhang mit dem Nachweis von Vollmachten gegenüber dem Gerichtsvollzieher (§ 753a ZPO-E) und gegenüber dem Gericht (§ 764a ZPO-E):
 
So wird beispielsweise gesetzlich klargestellt, welche Personen und Organisationen überhaupt bevollmächtigt werden dürfen, Handlungen in Zwangsvollstreckungsverfahren durch den Gerichtsvollzieher vorzunehmen (§ 753a Abs. 1 ZPO-E iVm 79 Abs. 2 ZPO) und welchen Anforderungen die entsprechenden Vollmachten unterliegen (§ 753a Abs. 2). Rechtsanwälte, Inkassodienstleister und Verbraucherverbände, die dazu bevollmächtigt werden, vom Gerichtsvollzieher Geld in Empfang zu nehmen, sollen künftig dazu verpflichtet sein, ihre Geldempfangsvollmacht gegenüber dem Gerichtsvollzieher zu versichern (§ 753 Abs. 2 b) ZPO-E).
 
Einen weiteren Anreiz zur elektronischen Antragstellung soll eine Änderung im Gerichtskostengesetz schaffen: So soll bei elektronischer Antragstellung auf die Pflicht zur Vorauszahlung der Gerichtsgebühr verzichtet werden (§ 12 Abs. 6 S. 2 GKG-E).
 
Bis zum 06.10.2023 können Stellungnahmen zum Referentenentwurf beim BMJ eingereicht werden. Die Kabinettsbefassung ist derzeit für den 22.11.2023 vorgesehen.
 
Zukunftsfinanzierungsgesetz liegt Bundestag und Bundesrat vor
Das Bundeskabinett hat den „Gesetzentwurf zur Finanzierung zukunftssichernder Investitionen“ im August 2023 beschlossen. Mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz sollen für Start-Ups und Wachstumsunternehmen Erleichterungen zur Finanzierung von Investitionen und Innovationen geschaffen werden. Das Gesetz ist ein Artikelgesetz und plant die Änderung zahlreicher bestehender Gesetze, wie Börsengesetz, Aktiengesetz etc.
 
U. a. soll die Mindestmarktkapitalisierung für einen Börsengang auf 1 Mio. Euro gesenkt werden (vgl. geplante Änderung der Börsenzulassungsverordnung). Unternehmen sollen künftig Mehrstimmrechtsaktien mit einem Stimmrecht von bis zu 10:1 ausgeben können, vgl. §§ 12, 135a AktG-E sowie die geplanten Änderungen im Einführungsgesetz zum AktG. Auch auf Europäischer Ebene wird derzeit über Mehrfachstimmrechte diskutiert.
 
Die Grenze beim vereinfachten Bezugsrechtsausschluss nach § 186 Abs. 3 AktG-E von bisher 10 Prozent des Grundkapitals soll auf 20 Prozent angehoben werden. Weiter sollen die Grenzen des bedingten Kapitals bei Unternehmenszusammenschlüssen sowie für Bezugsrechte von Arbeitnehmern und Mitgliedern der Geschäftsführung von 50 Prozent und 10 Prozent auf jeweils 60 Prozent beziehungsweise 20 Prozent erhöht werden, vgl. § 192 Abs. 3 AktG-E. Streitigkeiten über die Angemessenheit der Höhe des Ausgabebetrages bei bestimmten Kapitalmaßnahmen sollen gemäß § 255 AktG-E künftig im Spruchverfahren entschieden werden. Nach § 255a AktG-E sollen zudem künftig zusätzliche Aktien anstelle einer baren Ausgleichszahlung gewährt werden, soweit dies im Beschluss über die Kapitalerhöhung enthalten ist.
 
Sog. Börsenmantelaktiengesellschaften (SPAC) sollen in § 44 ff. Börsengesetz-E geregelt werden.
 
Das Gesetz über elektronische Wertpapiere soll auch auf elektronische Aktien anwendbar werden. Namensaktien sollen damit künftig elektronisch über ein zentrales Wertpapierregister oder über ein Kryptowertpapierregister, das auf der Distributed-Ledger-Technologie basieren kann, begeben und übertragen werden können (sog. E-Aktie).
 
Mit den § 32c, § 32d und § 32e WpHG-E werden die Haftungsregelungen für Projektträger von Schwarmfinanzierungsprojekten und für Schwarmfinanzierungsdienstleister an die Haftungsregelungen dieser Gesetze angepasst.
 
Der Entwurf des Zukunftsfinanzierungsgesetzes sieht darüber hinaus eine Bereichsausnahme für Allgemeine Geschäftsbedingungen von der AGB-Kontrolle nach den §§ 307, 308 Nr. 1a, 1b BGB vor, die in Verträgen über
erlaubnispflichtige Geschäfte nach dem Kreditwesengesetz (KWG), dem Wertpapierinstitutsgesetz (WpIG) und dem Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) zwischen Banken und anderen Finanzdienstleistern, die über Erlaubnisse nach diesen Gesetzen verfügen, verwendet werden.
 
Zu den weiteren Änderungen vgl. bitte den Link zum Regierungsentwurf. Das Gesetz soll noch dieses Jahr in Kraft treten, Bundestag und Bundesrat beraten über das Gesetz.
 
Öffentliches Wirtschaftsrecht
Beihilfenregelung zu Transformationstechnologien in Kraft
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat am 04.08.2023 die BKR-Bundesregelung Transformationstechnologien im Bundesanzeiger veröffentlicht („Regelung zur vorübergehenden Gewährung von Beihilfen im Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland auf der Grundlage des Befristeten Rahmens für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft infolge des Angriffs Russlands auf die Ukraine – Krisenbewältigung und Gestaltung des Wandels“).
 
Die Regelung setzt das Kapitel 2.8 der Mitteilung der Europäischen Kommission 2023/C 101/03 vom 09.03.2023 (folgend: Befristeter Krisenrahmen, BKR) in eine nationale Beihilfenregelung um. Die Kommission hat die Bundesregelung Transformationstechnologien am 19.07.2023 genehmigt. Die nach dieser Regelung errichteten Förderprogramme und die wiederum daraus resultierenden Projektförderungen müssen dann – sofern sie den Vorgaben dieser Regelung entsprechen – nicht mehr das Notifizierungsverfahren bei der Kommission durchlaufen.
 
Die Bundesregelung ermächtigt Bund und Länder, Förderprogramme zu erlassen, um den Auf- und Ausbau der Produktion bestimmter Transformationstechnologien zu fördern. Zu diesen förderfähigen Technologien zählen Solarpaneele, Batteriezellen, Windturbinen, Wärmepumpen, Elektrolyseure und Ausrüstung zur Abscheidung, Nutzung und Speicherung von CO2. Ebenso förderfähig sind die Herstellung von Schlüsselkomponenten und die Herstellung und Rückgewinnung kritischer Rohstoffe, die für diese Technologien benötigt werden.
 
Die Beihilfenintensität darf grundsätzlich 15 % der beihilfefähigen Kosten nicht übersteigen und der Gesamtbetrag grundsätzlich nicht mehr als 150 Mio. Euro pro Unternehmen betragen. Bei Investitionen in sog. „C-Fördergebieten“ nach der Fördergebietskarte der Bundesrepublik Deutschland kann die Beihilfenintensität auf 20 % der beihilfefähigen Kosten bzw. einen Gesamtbetrag von 200 Mio. Euro pro Unternehmen erhöht werden. Auch für KMU sind höhere Beträge möglich. Gewährt werden können die Beihilfen in Form von direkten Zuschüssen, Steuervorteilen, Zinszuschüssen oder Garantien für neue Darlehen.
 
Der Beihilfenempfänger muss sich verpflichten, die Investition nach deren Abschluss mindestens fünf Jahre (KMU: drei Jahre) in dem betreffenden Gebiet zu halten. Die Beihilfen dürfen nicht zu einer Verlagerung der Produktionstätigkeiten innerhalb der EU genutzt werden.
 
Die Gewährung der Beihilfen unter der Bundesregelung Transformationstechnologien ist bis zum 31.12.2025 möglich. Die Auszahlung darf bis 2031 erfolgen.
 
Europäisches und Internationales Wirtschaftsrecht
Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen tritt in Kraft
Am 01.09.2023 tritt das Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen in Kraft.
 
Ratifiziert wurde das Abkommen bisher durch die Europäische Union und die Ukraine, sodass es zunächst nur zwischen diesen zwei Vertragsparteien Wirkung entfalten wird (innerhalb der EU bindet das Abkommen alle Mitgliedstaaten mit Ausnahme Dänemarks). Weitere fünf Staaten haben das Abkommen bislang unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert: Costa Rica, Israel, Russland, die USA und Uruguay.
 
Ziel des Abkommens ist es, die Anerkennung und Vollstreckung zwischen den Vertragsstaaten zu vereinfachen und den multilateralen Handels- und Investitionsverkehr zu erleichtern. Die praktischen Auswirkungen werden sich jedoch aufgrund der noch sehr geringen Anzahl der Vertragsparteien zunächst in Grenzen halten. Sollten weitere Staaten – insbesondere die USA – bald nachziehen und das Abkommen ebenfalls ratifizieren, sind deutlich mehr Anwendungsfälle zu erwarten.
 
Das Abkommen verpflichtet Staaten, gerichtliche Entscheidungen, die in dem Staat, in dem sie ergangen, in Kraft getreten und vollstreckbar sind, in einem anderen Vertragsstaat nach den Regeln des Übereinkommens anerkannt und vollstreckt werden können. Die Verweigerung der Anerkennung und Vollstreckung ist nur aus den im Übereinkommen selbst genannten Gründen möglich. Eine abschließende Aufzählung solcher Versagungsgründe ist Art. 7 des Abkommens zu entnehmen. Zu ihnen zählen bspw. die betrugsweise Erlangung der Entscheidung oder ein Verstoß gegen den ordre public des ersuchten Staates.
 
Eine erneute Prüfung der Sachentscheidung im ersuchten Staat ist nicht zulässig. Anwendbar ist das Abkommen nach Art. 1 Abs. 1 auf Zivil- und Handelssachen, nicht jedoch auf Steuer- und Zollsachen sowie auf verwaltungsrechtliche Angelegenheiten. Ausgenommen vom Anwendungsbereich sind auch diverse Teilgebiete des Zivilrechts, so z.B. das Familien- und Erbrecht, das Insolvenzrecht, Streitigkeiten auf dem Gebiet des geistigen Eigentums sowie Teile des Kartellrechts, vgl. Aufzählung in Art. 2 Abs. 1a) – q).
 
Gerichtliche Vergleiche können im ersuchten Staat wie eine Entscheidung vollstreckt werden, sofern sie auch im Ursprungsstaat in derselben Weise wie eine Entscheidung vollstreckbar sind.
 
Weitere Einzelheiten können Sie dem Volltext des Abkommens auf der Seite der Hague Conference on Private International Law (HCCH) entnehmen.
 
EU-Durchführungsbestimmungen für Subventionen aus Drittstaaten
Im Januar 2023 trat die Verordnung für Subventionen aus Drittstaaten in Kraft. Am 10.07.2023 hat die EU-Kommission eine Durchführungsverordnung vorgelegt, in der die Verfahren zur konkreten Umsetzung der Verordnung festgelegt werden. In der Durchführungsverordnung, insbesondere in den Anmelde- und Meldeformularen, ist festgelegt, welche Angaben für Zusammenschlüsse und öffentliche Vergabeverfahren vorzulegen sind. Die Verordnung über Subventionen aus Drittstaaten gilt ab dem 12.07.2023. Ab dem 12.10.2023 müssen Unternehmen Zusammenschlüsse und die Teilnahme an Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge anmelden bzw. melden, in deren Rahmen drittstaatliche finanzielle Zuwendungen gewährt werden und die einschlägigen Anmeldeschwellen erreichen.
 
BGH-Beschlüsse zu ICSID-Schiedsverfahren: Europarecht bricht Völkerrecht?
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in zwei Beschlüssen vom 27.07.2023 Schiedsklagen privater Investoren gegen EU-Mitgliedstaaten für unzulässig erklärt. Die Wirtschaft kritisiert an den BGH-Beschlüssen das von ihnen ausgehende negative Signal für den Standortfaktor Recht in Deutschland und der EU – vor allem aber auch für den Umbau der Energieversorgung.
 
Zum Hintergrund: Auslandsinvestitionen im Energiebereich sind durch den internationalen Energiecharta-Vertrag (ECT) von 1994 geschützt. Immer mehr EU-Mitgliedstaaten kündigen das völkerrechtliche Abkommen, Deutschland im Jahr 2022. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) versucht seit 2018, Klagen von Investoren gegen EU-Mitgliedstaaten auch international einzuschränken.
 
Die Mehrzahl der Verfahren zum ECT betrifft den Investitionsschutz bei erneuerbaren Energien. So auch einer der Fälle, die zuletzt vor dem BGH behandelt wurden. Dabei ging es um drei Investoren, deren langfristige Energieprojekte in Kohlekraftwerke beziehungsweise in Offshore-Windkraftanlagen aufgrund von Gesetzesänderungen in den Niederlanden und Deutschland in wesentlichen Teilen entwertet wurden. Sie klagten ihre Rechte nach dem ECT beim Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) ein – einem Schiedsgericht, das zur Weltbankgruppe gehört.
 
Dagegen wiederum wehrten sich die nationalen Regierungen vor dem BGH – mit Erfolg. Schon die Berufung auf Völkerrecht und damit zugleich die beim ICSID eingeleiteten Schiedsverfahren verstießen gegen EU-Recht, hieß es aus Karlsruhe unter Berufung auf den EuGH, dem zufolge völkerrechtlich geschaffene Investitionsschiedsgerichte gegen die Letztentscheidungskompetenz des EuGH im Europarecht verstießen; der BGH hat sich der in dieser Form weitreichenden These eines Vorrangs des Europarechts vor dem Völkerrecht angeschlossen.
 
„Für die exportorientierte deutsche Wirtschaft ist diese Entscheidung problematisch“, gibt Stephan Wernicke, Chefjustiziar der Deutschen Industrie- und Handelskammer, zu bedenken. Werde der Rechtsschutz für Investoren reduziert, sinke auch das Vertrauen in den Standort weiter. Gerade mit Blick auf notwendige Investitionen in erneuerbare Energien in Europa müsse Recht als Standortfaktor eine stärkere Rolle in der europäischen und deutschen Debatte spielen.
 
Hier finden Sie die Pressemitteilung des BGH zu den Beschlüssen.
 
DIHK zur Green-Claims-Richtlinie
Im März 2023 wurde zusätzlich zu der Änderung der Richtlinie über unfaire Geschäftspraktiken vom vergangenen Jahr eine weitere Richtlinie zum Greenwashing zur Konsultation gestellt, die sog. Green Claims-Richtlinie. Die DIHK hat dazu im Juli eine detaillierte Stellungnahme an die EU-Kommission abgegeben.
 
Darin wird bemängelt, die Werbung mit Umweltaussagen (Green Claims) würde vermutlich mit Verabschiedung der Richtlinie erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht. Bevor ein Produkt mit Green Claims beworben werden dürfte, wäre die Erstellung eines wissenschaftlichen Gutachtens und eine anschließende Zertifizierung notwendig. Faktisch würden Green Claims also so teuer, dass vor allem kleine und mittlere Unternehmen dem nachvollziehbaren Anliegen, ihr Engagement für Nachhaltigkeit und Klimaschutz zu dokumentieren, praktisch nicht mehr nachkommen könnten.
 
Auch große Unternehmen stehen dem Vorhaben skeptisch gegenüber, zumal bei Nichteinhaltung unverhältnismäßig hohe Sanktionen drohen. Lediglich für Mikro-Unternehmen mit bis zu 10 Beschäftigten sind Ausnahmen vorgesehen.
 
Irreführende Umweltaussagen sind bereits jetzt verboten und können mit Rechtsdurchsetzungsmitteln verfolgt werden. Die DIHK sieht daher in der Richtlinie eine Überregulierung des Marktes, die dem Ziel, Nachhaltigkeit und Klimaschutz zu fördern, zuwiderläuft.
 
Die ausführliche DIHK-Stellungnahme finden Sie hier. Weitere Informationen zu diesem EU-Gesetzgebungsverfahren sowie der Richtlinientext sind hier veröffentlicht.
 
Referentenentwurf des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr zur Durchführung des Digital Services Act: Digitale-Dienste-Gesetz (DDG)
Am 04.08.2023 wurde vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) 2022/2065 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.10.2022 über einen Binnenmarkt für digitale Dienste und zur Änderung der Richtlinie 2000/31/EG sowie zur Durchführung der Verordnung (EU) 2019/1150 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.07.2019 zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten und zur Änderung weiterer Gesetze vorgelegt.
 
Bereits am 16.11.2022 ist der Digital Services Act (DSA) in der Form von Verordnung (EU) 2022/2065 in Kraft getreten. Mit Verordnung (EU) 2022/2065 sollen die für Vermittlungsdienste im Binnenmarkt geltenden Vorschriften vollständig harmonisiert werden. Als EU-Verordnung hat sie bereits aufgrund ihrer Rechtsform allgemeine Geltung, ist in allen ihren Teilen verbindlich und wird unmittelbar in jedem Mitgliedstaat der Union gelten. Dennoch muss, damit der DSA im nationalen Recht durchgeführt werden kann, das nationale Recht angepasst werden. Dazu dient der vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr vorgelegte Referentenentwurf zum Digitale-Dienste-Gesetz (DDG).
 
Der Entwurf des Digitale-Dienste-Gesetzes beinhaltet einerseits materielle Vorschriften, die verschiedene Pflichten der Diensteanbieter näher regeln. Andererseits wird durch das DDG die nach dem DSA dem jeweiligen Mitgliedstaat obliegende notwendige Benennung der zuständigen Behörden und Koordinatoren für digitale Dienste, Artikel 49 DSA, vorgenommen.
 
Zu beachten ist, dass das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) und das Telemediengesetz (TMG) außer Kraft treten sollen. Ihr Regelungsbereich soll vom DSA und dem Digitale-Dienste-Gesetz geregelt werden.
 
Anwendung des Digital Services Act auf sehr große Online-Plattformen und Online-Suchmaschinen seit dem 25. August 2023
Der Digital Services Act (DSA) wurde bereits am 27.10.2022 in Form von Verordnung (EU) 2022/2065 im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Vollumfänglich wird er 15 Monate nach seinem Inkrafttreten und damit ab dem 17.02.2024 unmittelbar in allen EU-Mitgliedstaaten für Vermittlungsdienste, die für Nutzer mit Niederlassungsort oder Sitz in der EU angeboten werden, gelten, Artikel 1, 92, 93 DSA.
 
Mit dem DSA werden die Pflichten digitaler Dienste, die als Vermittler tätig sind und Verbrauchern den Zugang zu Dienstleistungen, Inhalten und Waren zulassen, geregelt. Der DSA sieht verschiedene Sorgfaltspflichten für verschiedene Arten von Vermittlern vor, welche von der Art der Dienste, ihrer Größe und ihren Auswirkungen beeinflusst werden. Besondere Anforderungen werden an sehr große Online-Plattformen und sehr große Online-Suchmaschinen gestellt.
Auf Anbieter sehr großer Online-Plattformen und sehr großer Online-Suchmaschinen, welche als solche von der Kommission am 25. April 2023 benannt wurden, finden bereits seit dem 25.08.2023 die ihnen zusätzlich auferlegten Pflichten in Bezug auf den Umgang mit systemischen Risiken Anwendung, Artikel 33(1), (4), (6) DSA.
 
Dazu zählt das Ergreifen angemessener, verhältnismäßiger und wirksamer Risikominderungsmaßnahmen, welche auf die in einer durch den Anbieter durchgeführten Risikobewertung ermittelten besonderen systemischen Risiken ausgerichtet sind, Artikel 34, Artikel 35(1) DSA.
 
Die erste Risikobewertung für ihre Dienste hatte bereits bis zum 25.08.2023 zu erfolgen. Danach muss sie mindestens einmal jährlich durchgeführt werden, Artikel 34(1) DSA. Die bei der Risikobewertung zu beachtenden systemischen Risiken umfassen:
- die „Verbreitung rechtswidriger Inhalte über ihre Dienste“;
- „etwaige tatsächliche oder vorhersehbare nachteilige Auswirkungen auf die Ausübung der Grundrechte […]“;
- „alle tatsächlichen oder absehbaren nachteiligen Auswirkungen auf die gesellschaftliche Debatte und auf Wahlprozesse und die öffentliche Sicherheit“;
- „alle tatsächlichen oder absehbaren nachteiligen Auswirkungen in Bezug auf geschlechtsspezifische Gewalt, den Schutz der öffentlichen Gesundheit und von Minderjährigen sowie schwerwiegende nachteilige Folgen für das körperliche und geistige Wohlbefinden einer Person“, Artikel 34(1) lit. a-d DSA.
 
Zu den Risikominderungsmaßnahmen der Anbieter sehr großer Online-Suchmaschinen und sehr großer Online-Plattformen können unter anderem gehören:
- die „Anpassung der Gestaltung, der Merkmale oder der Funktionsweise ihrer Dienste einschließlich ihrer Online- Schnittstellen“;
- die „Anpassung der allgemeinen Geschäftsbedingungen und ihrer Durchsetzung“;
- die „Anpassung der Verfahren zur Moderation von Inhalten, einschließlich der Geschwindigkeit und Qualität der Bearbeitung von Meldungen zu bestimmten Arten rechtswidriger Inhalte, und, soweit erforderlich, rasche Entfernung der gemeldeten Inhalte oder Sperrung des Zugangs dazu, insbesondere in Bezug auf rechtswidrige Hetze oder Cybergewalt; sowie Anpassung aller einschlägigen Entscheidungsprozesse und der für die Moderation von Inhalten eingesetzten Mittel“;
- die „Erprobung und Anpassung ihrer algorithmischen Systeme, einschließlich ihrer Empfehlungssysteme“;
- die „Anpassung ihrer Werbesysteme und Annahme von gezielten Maßnahmen zur Beschränkung oder Anpassung der Anzeige von Werbung in Verbindung mit dem von ihnen erbrachten Dienst“;
- die „Stärkung der internen Prozesse, der Ressourcen, der Prüfung, der Dokumentation oder der Beaufsichtigung ihrer Tätigkeiten, insbesondere im Hinblick auf die Erkennung systemischer Risiken“, Artikel 35(1) lit. a-f DSA.
 
Von Anbietern sehr großer Online-Plattformen und sehr großer Online-Suchmaschinen ist eine Compliance-Abteilung einzurichten. Diese hat u.a. zu gewährleisten, dass die Risikobewertung erfolgt und entsprechende Risikominderungsmaßnahmen getroffen werden, Artikel 41(1), (3) DSA. Auch werden den Anbietern sehr großer Online-Plattformen und sehr großer Online-Suchmaschinen gesteigerte Transparenzberichtspflichten auferlegt, Artikel 42 DSA.
 
Kommt der Anbieter einer sehr großen Online-Plattform oder einer sehr großen Online-Suchmaschine seinen Verpflichtungen nicht nach, droht die Verhängung von Geldbußen durch die EU-Kommission in Höhe von bis zu 6 % seines im vorangegangenen Geschäftsjahr erzielten weltweiten Gesamtjahresumsatzes, Artikel 73, 74 DSA.
 
Europäische Nachhaltigkeitsberichtsstandards (ESRS) veröffentlicht
Die Europäische Kommission hat am 31.07.2023 den Delegierten Rechtsakt zu Set 1 der Europäischen Nachhaltigkeitsberichtsstandards, sog. European Sustainability Reporting Standards (ESRS), veröffentlicht. Die ESRS wurden aufgrund der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) entwickelt. Damit werden in der Europäischen Union verbindliche Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung festgelegt. Die finalen Standards des Set 1 liegen nun in 23 Sprachen vor. Diese und auch die Rückmeldungen zur vorherigen Konsultation sind abrufbar auf der Webseite der Europäischen Kommission unter Annahme durch die Kommission: „Europäische Kommission: Erste europäische Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung“. Es handelt sich um eine Delegierte Verordnung der EU-Kommission, einen Anhang, mit den ESRS des Set 1 sowie einen weiteren Anhang mit Abkürzungen und Glossar.
 
Der Rat und das Europäische Parlament haben die Möglichkeit, die Delegierte Verordnung, d. h. auch die ESRS zu prüfen und können sich innerhalb von zwei Monaten gegen diese wenden. Theoretisch kann diese Frist auf Antrag auch verlängert werden. Sofern keine Einwände erhoben werden, treten die EU-Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung nach Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft und sind ab dem 01.01.2024 für die ersten Unternehmen anzuwenden. Die Nachhaltigkeitsberichterstattungspflicht tritt gestaffelt in Kraft, die ersten Unternehmen, d. h. jene Unternehmen, die bislang schon einen nicht finanziellen Bericht erstellen mussten, sind bereits für das Geschäftsjahr 2024 nach der sog. CSRD auf Basis der neuen ESRS berichtspflichtig.
 
Zum Schluss
Syndikuszulassung bei Drittberatung
Der Anwaltssenat des BGH hat in einem Beschluss zu einer erfolgreichen Nichtzulassungsbeschwerde angekündigt, sich in dem nun anstehenden Berufungsverfahren mit derzeit noch ungeklärten Abgrenzungsfragen bei der Rechtsberatung durch Syndikusrechtsanwälte äußern zu wollen (BGH Beschl. v. 19.07.2023 AnwZ (Brfg) 1/23). Im Wesentlichen geht es um die Frage, wann ein Syndikusrechtsanwalt in Angelegenheiten seines Arbeitgebers und wann er in Angelegenheiten Dritter tätig wird.
 
Zum Hintergrund: Grundsätzlich kann als Syndikusrechtsanwalt nur zugelassen werden, wer allein im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses für seinen Arbeitgeber anwaltlich tätig wird (§ 46 Abs. 2 BRAO). Dabei muss der Syndikusrechtsanwalt in seiner Tätigkeit vom Arbeitgeber fachlich unabhängig und weisungsfrei agieren können – Dritte, also außerhalb des Arbeitsverhältnis Stehende, darf er in der Regel nicht beraten (§ 46 Abs. 5 S. 1 BRAO).
 
In dem vom BGH zu entscheidenden Berufungsverfahren geht es um die Zulassung eines Arbeitnehmers als Syndikusrechtsanwalt, der bei einem Bistum angestellt ist und zugleich Beratungsleistungen u. a. für die unter der Aufsicht des Bistums stehenden Vereine und Pfarreien erbringt. Hier wird der BGH sich nach eigener Auskunft die Tätigkeiten im Einzelnen ansehen müssen und gegebenenfalls Kriterien für eine Abgrenzung aufstellen. Er wird sich in seinem Beschluss auch mit der neueren Regelung des § 46 Abs. 6 BRAO befassen. Danach darf der Syndikus gegenüber Dritten auch „nichtanwaltliche“ Rechtsdienstleistungen erbringen, deren Erbringung seinem Arbeitgeber ausnahmsweise aufgrund gesetzlicher Befugnis gestattet ist. Der Syndikus muss in diesem Falle darüber aufklären, dass es sich um keine anwaltliche Tätigkeit handelt und demnach auch kein anwaltliches Zeugnisverweigerungsrecht nach der StPO besteht.
 
Zusätzliche Newsletter
 
finden Sie unter: Steuern | Finanzen | Mittelstand (dihk.de)
 
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